Das Wort Placebo hat einen unliebsamen Klang. Für viele hat es mit Betrug, und nicht ernst genommen werden zu tun.
Die Frage taucht natürlich auf, wieviel an psychotherapeutischen Behandlungen oder an Coachings auf Placebo beruht. Gerade Hypnose liesse sich zu einem grossen Teil dadurch erklären, obwohl sie in der Amerikanischen Schulmedizin zum Standard gehört.
Längst ist bewiesen, dass auch bei jedem wirklichen Medikament die Verbesserung der Symptome zu einem grossen Teil auf Placebo beruht, teilweise sogar bis zu 50%!
Die Diskussionen um die Komplementärmedizin haben dazu geführt, dass die Forschung sich weltweit intensiv mit der Wirksamkeit von Placebo befasst. Und die Resultate sind erstaunlich. Schauen wir uns kurz um:
Auf DRS2 in der Sendung Kontext vom 16. Februar 2011 wurde in der Diskussion mit Schweizer und US Amerikanischen Forschern unter Leitung von Pascal Biber ein Überblick über den Stand dieser Forschungen v.a. an der Harvard Medical School gegeben. Am Schluss dieses Blogs gebe ich Ihnen den entsprechenden Link an, damit Sie sich das anzuhören können. Die Sendung dauert 28 Minuten.
Soeben wurde auch in Science Translational Medicine eine Studie an der University of Oxford veröffentlicht, welche in die gleiche Richtung geht. Kurz zusammengefasst lautet die Aussage:
Das Gehirn kann die Wirkung von Medikamenten erhöhen oder verschwinden lassen. Weiss der Patient z.B. nicht, dass er ein Schmerzmittel injiziert bekam, sank der Schmerz der auf einer Skala von 1-100 mit durchschnittlich 66 angegeben war, auf 55. Wurde die Verabreichung mitgeteilt, sank der Schmerz weiter auf durchschnittlich 39. Dann wurde den Patienten gesagt, das Schmerzmittel sei abgesetzt, die Dosis jedoch gleichbleibend beibehalten. Der Schmerz stieg darauf auf 64 an, obwohl nichts verändert war. Und dies bei einem der besten zur Verfügung stehenden Schmerzmittel!
Die Erwartungen scheinen also eine entscheidende Rolle zu spielen. Nicht die Dinge oder Ereignisse sind es, die uns Leiden bescheren, sondern wie wir über sie denken. Und wie wir über Behandlungen denken kann durch Rituale entscheidend beeinflusst werden. Der Behandlungskontext in der Arztpraxis, die erhaltene Aufmerksamkeit und weitere Faktoren spielen eine bedeutende Rolle.
Ich war einmal zu einer Reise zu südafrikanischen Schamanen als psychologische Betreuung eingeladen. Die Heilungserfolge sind da derart spektakulär, Gelähmte tragen buchstäblich ihre Bahre weg, dass die Besucher derart aufgewühlt sind, dass Betreuung notwendig ist. Die Rituale dauern über Stunden und sind sehr beeindruckend. Sie nehmen sämtlich Sinnesorgane gefangen. Die ganze Prozedur mit ihren Erfolgen passt sehr gut in die neueren Forschungsergebnisse zu Placebo.
Die gute Meldung ist, dass die durch Placebo erzielte Wirkung auch dann erfolgt, wenn sie offen als solche deklariert werden, wie eine ganz neue Studie zeigt. „Sie bekommen hier ein Medikament, wir nennen es Placebo. Das heisst, es enthält keinen Wirkstoff. Trotzdem hilft es bei Ihrer Symptomatik. Wir wissen nicht weshalb.“ Und obwohl der Patient wusste, dass es ein Placebo ist, es wirkte in über 50% der Fälle!
Wie verhält es sich nun, wenn beispielsweise ein Coaching für Ängste die Erwartungen, Hoffnungen, Einstellungen verändert, und das innert kürzester Zeit zu völlig souveränem Umgang mit den Ängsten führt? Worauf ist es zurückzuführen, wenn dies ausnahmsweise einmal nicht der Fall ist? Wie viel hat dies mit dem Glauben und den Erwartungen der betroffenen Person zu tun? Wie könnte man dem begegnen, falls die angebotene Lösung unter Placeboverdacht steht, und man weiß, dass ein Placebo als solches deklariert ist, trotzdem wirkt?
Dies soll im nächsten Blog besprochen werden.
Und hier noch zwei weiterführende Links. Zuerst die Sendung Kontext und als zweites die Untersuchung der University of Oxford.
Podcast DRS2 Kontext 6.2.11 zum hören: http://pod.drs.ch/mp3/kontext/kontext_201102161002_10168514.mp3
Pressetext zum lesen:
http://www.pressetext.ch/news/110217009/schmerzmittel-erwartung-bestimmt-wirksamkeit/
Wie immer freue ich mich über Kommentare und beantworte sie auch.